Rede des Vereins GEDENKDIENST bei der Pressekonferenz im BMASK am 5. Oktober 2017

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Am Donnerstag, 5. Oktober 2017 9:30 fand im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anlässlich der internationalen Freiwilligenkonferenz eine Pressekonferenz statt. Sozialminister Stöger, IFES-Projektleiter Gert Feistritzer und Jutta Fuchshuber, Stellvertretende Obfrau des Vereins Gedenkdienst, sprachen über den Stand der freiwilligen Arbeit in Österreich, aktuelle Herausforderungen für Vereine sowie die geplanten gesetzlichen Änderungen.

Rede der stellvertretenden Obfrau des Vereins GEDENKDIENST Jutta Fuchshuber:

Sehr geehrter Herr Sozialminister Stöger!

Sehr geehrter Herr Dr. Feistritzer!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zunächst möchte ich mich für die Einladung zur Pressekonferenz bedanken und für die Möglichkeit hier als Vertreterin des Vereins GEDENKDIENST über die aktuellen Herausforderungen für Freiwillige im Ausland zu sprechen.

Wie die Studie von Herr Feistritzer verdeutlicht, gibt es in Österreich ein großes Interesse an freiwilligem Engagement über verschiedene Altersgruppen hinweg. Jedes Jahr leisten viele Menschen einen Sozial-, Friedens- oder Gedenkdienst im Ausland an verschiedenen Einrichtungen und erfüllen somit einen wichtigen Beitrag für die österreichische Zivilgesellschaft und für die Republik Österreich.

Was ist Gedenkdienst?

Seit 25 Jahren entsendet der Verein GEDENKDIENST jedes Jahr engagierte Freiwillige, die einen einjährigen Gedenkdienst an Holocaust-Gedenkstätten, pädagogischen Institutionen und Altenbetreuungseinrichtungen in Europa, Israel, Südamerika und in den USA leisten. Als 1992 Gedenkdienst als Zivilersatzdienst möglich wurde, war dieser – und ist es bis heute noch – ein klares politisches Zeichen der Republik gegen das Vergessen und ein Bekenntnis für das gegenwärtige aktive Erinnern an den Holocaust.

Die Arbeit der Freiwilligen ist auch ein wertvoller Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit und zur deren politischen Partizipation. Dies wird sowohl von Überlebenden der NS-Vernichtungspolitik als auch von ausländischen Vertreterinnen und Vertretern an den Einsatzorten als starkes gesellschafts- und außenpolitisches Zeichen der Republik wahrgenommen. Der regelmäßige Austausch mit den Botschaften an den Einsatzorten zeigt uns den wichtigen Beitrag der Freiwilligen in der österreichischen Außenpolitik.

Nach der Rückkehr des Dienstes tragen die Freiwilligen ihre Erfahrungen in die österreichische Zivilgesellschaft zurück und engagieren sich ehrenamtlich in verschiedenen Projekten oder NGOs.

Die weitere Finanzierung des Zukunftsfonds ist ein Beispiel dafür, dass sich der Nationalrat einstimmig und ungeachtet von Parteiinteressen für eine aktive Gedenk- und Bildungsarbeit aussprechen kann. In der Nationalratssitzung am 20. September betonte der Abgeordnete Wolfgang Gerstl die Wichtigkeit der weiteren Finanzierung des Zukunftsfonds. [Sinngemäßes Zitat Anfang]: Dieser ginge über die bloße Erinnerungsarbeit über den Nationalsozialismus hinaus, da es dieser ermöglicht über Menschenrechte zu diskutieren und über Toleranz zu reden. [Sinngemäßes Zitat Ende]

Genau das machen Auslandsfreiwillige nach ihrer Rückkehr: Sie leisten einen Beitrag zur Stärkung von Toleranz, Menschenrechten und treten gegen Diskriminierung auf.

Was hat sich seit 1992 verändert? Und was ist gleichgeblieben?

Durch die Abänderung des Freiwilligengesetzes wurde 2016 ein wichtiger Schritt gesetzt: Waren es früher nur Männer als Zivildienstleistende, so können nun auch Frauen und nicht wehrpflichtige Männer zu gleichen Rechten und Bedingungen einen geförderten Gedenkdienst als Freiwilligendienst leisten. Auch können die Freiwilligen nun während des Dienstes Familienbeihilfe beziehen. Damit wurde die fast 20 Jahre alte Forderung des Vereins nach Gleichberechtigung umgesetzt – die wir für sehr wichtig halten.

Durch diese Adaptierung stellen wir auch eine Veränderung der Zielgruppe von Freiwilligen fest: Waren es in den letzten Jahren vor allem 17. bis 18.-jährige wehrpflichtige Männer, die einen Gedenkdienst geleistet haben, so sind es nun immer mehr Frauen und ältere Personen, die Interesse zeigen. In den letzten zwei Jahren haben sich viele nach einer Ausbildung, z.B. Lehre oder Bachelor-Studium, für einen Gedenkdienst entschieden. Auch stellen wir ein größeres Interesse an einem solchem Dienst anhand der gestiegenen Bewerbungen fest.

Gleichgeblieben ist leider die seit 25 Jahren unzureichende Förderung der Freiwilligen. Der Dienst an sich wird nicht entlohnt. Die Förderung soll Reise-, Visa-, Versicherungs- und Lebenshaltungskosten (also Miete, Verpflegung, etc.) decken. Durch die stetigen Kürzungen hat sich die Situation immer weiter verschlechtert. Für viele engagierte Menschen ist ein Gedenkdienst deshalb nicht leistbar, da sie mit weniger als der Hälfte der Armutsgefährdungsschwelle auskommen müssen. Viele Interessentinnen und Interessenten sind zurecht enttäuscht, wenn sie erfahren, dass sie einen enorm hohen Anteil der Kosten eines Gedenkdiensts aus eigener Tasche tragen müssten. Ohne Ersparnisse oder familiäre Unterstützung, auf die nicht alle zurückgreifen können, ist ein Gedenkdienst im Ausland kaum möglich. Und auch die Vereine, die Gedenkdienst organisieren, müssen bis heute ohne jegliche Basisfinanzierung auskommen und arbeiten großteils ehrenamtlich.

Wir freuen wir uns über den am 20. September 2017 eingebrachten Antrag im Nationalrat und über die soeben vom Sozialminister angesprochene Unterstützung. Der Antrag sieht unter anderem finanzielle Verbesserungen für die Freiwilligen im Ausland vor.

Wir sehen dies einerseits als Wertschätzung gegenüber der Arbeit von Sozial-, Friedens- und Gedenkdienstleistenden und andererseits als einen wichtigen Beitrag zur dringend nötigen Absicherung der Freiwilligen.

In der letzten Nationalratssitzung dieser Legislaturperiode am 12. Oktober 2017 wird über diesen Antrag diskutiert werden. Während dieser Diskussion wird sich zeigen, welchen Stellenwert Erinnerungsarbeit und Gedenkpolitik im In- und Ausland zukünftig für die Republik Österreich haben wird.

Ich erlaube mir, die Wiener Holocaust-Überlebende Helga Pollak-Kinsky zu zitieren: „Die Arbeit des Vereins (GEDENKDIENST) ist nicht nur wichtig für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, sondern auch für Österreich. Es ist die Verantwortung der Republik, dass sie in dieser Form gefördert wird.“

Wir hoffen, dass auch eine deutliche Mehrheit im Parlament den politischen Willen zeigt, die prekäre Situation von Freiwilligen zu verbessern, um so den Gedenkdienst zu erhalten.

Vielen Dank Ihre Aufmerksamkeit!

 

Foto (c) Regina Aigner / BKA

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